Liga zwei: Der Norden ist dabei

Mit Eintracht Braunschweig nimmt ein Nordteam wieder an der zweiten Liga teil. Nach einem dramatischen Endspiel bezwingt die Eintracht Bielefelds Amateure mit 3:2 und steigt aus der Regionalliga Nord auf. Nun soll die Stadt beim Ausbau des Stadions und den Planungen für den Profifußball helfen

aus Braunschweig HOLGER SCHLEPER

Es hätte das symbolische Bild des Tages werden können: Fünf Ordnungskräfte im Stadion standen am Rand des Fußballfeldes und zertrampelten Hunderte blaue und gelbe Luftballons. Die waren von den 23.500 Braunschweiger Fans vor Anpfiff des Spiels losgelassen worden. Nun boten sie ein anschauliches Bild für das, was 75 Minuten lang im Stadion an der Hamburger Straße drohte: Zerplatzende Aufstiegsträume.

Dabei war die Ausgangslage für die Eintracht so günstig. Der Tabellenführer traf auf die bereits abgestiegenen Amateure der Bielefelder Arminia. Das Stadion war bereits seit letztem Montag ausverkauft, im Internet wurden horrende Summen für Tickets geboten. Eine Stadt im Fußballfieber. Der Niedersächsische Fußballverband (NFV) hatte Manager Wolfgang Loos bereits darauf hingewiesen, Blumen zu bestellen, damit zum Aufstieg gratuliert werden könne. Eine Bitte, der der Manager nicht nachkam. Denn eines fehlte: der erforderliche Sieg gegen Bielefelds Amateure.

Und der schien nach 45 Minuten in weite Ferne gerückt. Ausgerechnet der ansonsten zuverlässige Braunschweiger Keeper Thorsten Stuckmann lenkte in der neunten Minute eine harmlose Flanke von rechts ins eigene Tor. Der ohrenbetäubende Lärm verstummte in Sekundenbruchteilen zur Totenstille. Zwar sorgte Daniel Graf mit seinem Ausgleichstor (38. Minute) für eine kurzzeitige Wiederbelebung der blau-gelben Euphorie. Doch ein Sonntagsschuss von Christian Wieczorek kurze Zeit später zur erneuten Bielefelder Führung ließ Braunschweigs Trainer Michael Krüger Schlimmes ahnen: „Ich hatte das Gefühl, das Schicksal war gegen uns.“

War es nicht. Erneut Daniel Graf köpfte nach einer Stunde den Ausgleich, um kurz danach auch noch einen Elfmeter zugesprochen zu bekommen. Jürgen Rische verwandelte sicher (74.). Und als in der 89. Minute ein Schuss der Bielefelder gegen die Latte krachte, war auch die letzte bemerkenswerte Szene des 90-minütigen Dramas überstanden.

Ein zunächst zielloser Zickzack-Sprint von Trainer Krüger über das halbe Feld zeigte deutlich, dass der Coach eine immense Anspannung herauslassen musste. Am Ende seines Spurts hatte er Manager Loos gefunden, mit dem er ein kleines Tänzchen aufführte, bevor Krüger, heulend wie einige seiner Spieler, im Stadiontunnel verschwand.

„Analysen sind mir jetzt schnurzegal“, so Krüger. Er sei stolz auf die geile Truppe, die erstmals in der Saison einen Rückstand in einen Sieg umgewandelt habe. Auch von Taktik wollte der Trainer nichts mehr wissen, „gewonnen haben wir allein durch unseren Willen“.

In Sekundenschnelle war das Stadion an der Hamburger Straße von Menschenmassen überflutet. Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich die bis dahin fast ausgestorbene Innenstadt in eine gigantische Partymeile. Während in der City der frühsommerliche Straßenkarneval ausgerufen war, feierten Mannschaft, Präsidium und die Mitglieder des „Sponsor-Pool 100“ in einem Hotel den für den Verein und die Stadt so wichtigen Erfolg. Anders als 2002 war der Aufstieg diesmal nicht geplant. Doch Trainer Michael Krüger realisierte die mittelfristige Zielsetzung Aufstieg kurzfristig. „In meiner gesamten Trainerlaufbahn ist dies sicherlich der größte Erfolg“, bewertete der 51-Jährige den Coup.

Der Sieg bringt der Eintracht jetzt eine gute Basis, um mit der Stadt über einen Stadionausbau zu verhandeln. „Wir haben unsere Leistung gebracht, jetzt will der Oberbürgermeister seine bringen“, so Präsident Gerhard Glogowski. Im Gespräch sind Umbaumaßnahmen, die rund fünf Millionen Euro kosten sollen. Finanziell steht der Verein gefestigt da. Die Eintracht werde laut dem ehemaligen zweiten Ministerpräsidenten Glogowski demnächst 450.000 Euro zurückzahlen können und damit keine Bankschulden mehr haben. „Die bundesweit größere Aufmerksamkeit für den Verein überträgt sich auch auf die Stadt, ihr Image und ihre Qualitäten als Wirtschaftsstandort. Ich bin sicher, dass sich die Eintracht in der 2. Liga behaupten wird“, gratulierte Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann aus Japan, ohne Stellung zu den geplanten Ausbaumaßnahmen zu nehmen.

Sportlich gibt es künftig auch eine Baustelle zu bearbeiten – den Kader. Denn die Frage nach den Lehren aus dem jüngsten Zweitliga-Abstieg 2003 war allgegenwärtig. „Wir benötigen für jeden Mannschaftsteil eine Verstärkung“, sagte Krüger. Der deutsche Meister von 1967 will seinen Kurs beibehalten und möglichst junge und talentierte Akteure verpflichten. Der Etat wird mit 7,8 Millionen Euro geplant. 12.500 Zuschauer pro Heimspiel sind kalkuliert. Nach der Verpflichtung des Uerdingers Dustin Heun und dem kurz bevorstehenden Wechsel von Finn Holsing aus Bielefeld sind keine großartigen Sprünge auf dem Transfermarkt mehr drin.

An Angeboten wird es dem kommenden Zweitligisten dennoch nicht mangeln. In der Mailbox des Handys von Manager Wolfgang Loos befanden sich nach Abpfiff des Spiels gleich sechs Glückwunsche von Spielerberatern, die ihre Klienten feilbieten wollen.